Bericht
5. Internationaler Kongreß zur traditionellen asiatischen Medizin (ICTAM)
Halle (Saale), 18.-24. August 2002

Rahul Peter Das

Dieser ICTAM war sowohl aus fachlicher als auch aus repräsentativer Sicht — nicht zuletzt auch für die Stadt Halle und die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg — ein wichtiges Ereignis, mit dem sich auch bekannte öffentliche Medien befaßten. Der sehr positive Eindruck, den er hinterlassen hat, läßt sich leicht daraus ersehen, daß, während zwischen dem 4. und dem 5. ICTAM eine lange Zeitspanne von acht Jahren lag und es relativ leicht war, die Akzeptanz für Halle als Tagungsort herzustellen, es nach diesem 5. ICTAM die nie zuvor dagewesene Anzahl von sechs seriösen Anwärtern für den 6. ICTAM gab, die alle versprachen, die Tagung innerhalb von zwei bis drei Jahren abzuhalten. Es handelte sich um Orte in Bangladesch, Indien, Indonesien, Rußland (Burjatien), der Türkei und den Vereinigten Staaten von Amerika; einige dieser Anträge wurden von wichtigen staatlichen Instanzen unterstützt. Als nächster Tagungsort wurde die Universität von Texas in Austin ausgewählt.

Einen wesentlichen Anteil an dieser positiven Entwicklung spielt sicherlich die Tatsache, daß es mehrere sehr prominente Teilnehmer gab. Zu diesen gehörten ein Mitglied des indischen Kabinetts (der Minister für Gesundheit und Familienwohl), eine Staatssekretärin aus seinem Ministerium, der stellvertretende Premierminister einer Republik (Burjatien) der Russischen Föderation, einer der Leibärzte des Dalai Lama, sowie die 1. und der 2. Vorsitzende der Deutschen Ärztegesellschaft für Akupunktur, mit ca. 11.000 Mitgliedern die größte Gesellschaft dieser Art in Europa.

Auf Grund von Stellungnahmen vieler Teilnehmer läßt sich aber auch schließen, daß ein wesentlicher positiver Faktor die Wirkung der Tagung beim Erwecken bzw. Neuerwecken des Interesses an einem Forum war, das Personen nicht nur aus verschiedenen Fächern, sondern auch aus verschiedenen Berufen und Ländern zu einem intensiven Meinungsaustausch zusammenbringt. Hervorgehoben wurde in diesem Zusammenhang die diesen Austausch ganz besonders fördernde Rolle der vielen Plenarveranstaltungen; damit wurde die Effektivität der neuartigen Konzeption dieser Tagung bestätigt.

Verschiedene Initiativen insbesondere zu asiatischen Medizinsystemen in einem westlichen Umfeld wurden bei diesem ICTAM intensiv besprochen, und es ist anzunehmen, daß einige dieser wahrnehmbare Folgen haben werden, da mehrere von denen, die an den einschlägigen Diskussionen teilnahmen, auch aktive und prominente Akteure auf der nationalen oder EU-Bühne sind. Zudem fand bei dieser Tagung der erste intensive Meinungsaustausch zur tibetischen Medizin im Kontext moderner Gesundheitssysteme statt; dies wird sicherlich Folgen vor allem im medizinischen und pharmazeutischen Bereich haben.

Die Teilnahme einer größeren Anzahl von Personen aus Asien und Osteuropa wurde bezuschußt. Insgesamt wurden 374 Personen als seriöse Teilnehmer registriert; darunter waren 18 Studenten. Die Feststellung der Seriosität der Registrierung erwies sich bisweilen insofern als problematisch, als nicht nur Einzelpersonen, sondern auch professionell organisierte Schleuserbanden aus einigen asiatischen und afrikanischen Ländern versuchten, über den ICTAM an Einreisegenehmigungen für die EU zu gelangen. Auch war es notwendig, viele Teilnehmer ohne vorherige Zahlung der Tagungsgebühr zu registrieren, weil diese Registrierung die Vorbedingung für den Erhalt von Geldern für die Teilnahme im Heimatstaat war. Es stellte sich allerdings heraus, daß der größte Teil dieser Teilnehmergruppe tatsächlich teilnahm. Nichtsdestotrotz waren die mit erheblichen Kosten verbundenen Vorbereitungen für die genannte Anzahl von Teilnehmern mit einem großen Risiko für die Organisatoren verbunden. Ohne die großzügige Unterstützung der Stadt Halle, der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und einigen Privatsponsoren wäre es nicht möglich gewesen, dieses Risiko zu minimieren oder aber die Teilnahme von ausgewählten Personen finanziell zu unterstützen.

Letztendlich konnten allerdings trotz aller Bemühungen nicht alle der Registrierten teilnehmen. Dafür gab es verschiedene Gründe, die wichtigsten wahrscheinlich, neben finanziellen Problemen, verursacht durch die internationale politische Lage und Naturereignisse, die die Pläne der Organisatoren durchkreuzten. Dazu zählen die generelle Angst vor dem Reisen und insbesondere Fliegen nach den Ereignissen des 11.9.2001, die verschärften Sicherheits- und Einreisebestimmungen und nicht zuletzt die Flutkatastrophe, die die an Halle angrenzenden Regionen genau zum Zeitpunkt des ICTAMs heimsuchte. Als ein Beispiel für den Einfluß dieser Ereignisse sei erwähnt, daß kein einziger der registrierten Teilnehmer aus Pakistan oder Afrika eine Einreisegenehmigung erhalten konnte; dies betraf 48 Personen, ca. 13% aller registrierten Teilnehmer.

Nichtsdestotrotz nahmen ca. 270 Personen (Studenten nicht mitgerechnet) tatsächlich am ICTAM teil. Allerdings hatte man oft den Eindruck, daß während der Tagungszeiten die Anzahl der Teilnehmer in der Stadt und ihrer Umgebung vielleicht weniger, am Tagungsort selbst dafür mehr hätte sein können.

Es darf auch nicht übersehen werden, daß dies das erste Mal war, daß der ICTAM nicht in den "heimatlichen Gefilden" eines der asiatischen Medizinsysteme stattfand; dadurch konnte die bisher übliche große Anzahl von Teilnehmern aus dem austragenden Land nicht erreicht werden. Tasächlich kamen aus Deutschland selbst nur ca. 27% aller Teilnehmer; in Surabaya, Bombay und Tokio waren es im ungünstigsten Falle über 40% Einheimische gewesen. In Halle war dagegen die Anzahl der Teilnehmer aus Indien höher als die Anzahl der Teilnehmer aus Deutschland.

Andererseits muß hervorgehoben werden, daß diese Zahlen einen Grad der Internationalisierung darstellen, der für eine Tagung in Deutschland und insbesondere in einer international wenig bekannten Region wie die von Halle als nicht gewöhnlich gelten darf.

Hinzuweisen ist zudem auf die relativ geringe Anzahl von Teilnehmern aus Halle und der Umgebung. Auch wenn die Aktivitäten im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe dabei sicherlich eine wichtige Rolle gespielt haben, fiel es doch auf, daß die fünf Abendvorträge auf deutsch für die Allgemeinheit von insgesamt nur etwa 130 Personen besucht wurden, und daß bei der Tagung selbst kaum jemand aus dem medizinischen oder pharmazeutischen Bereich der Universität anwesend war. Dadurch wird deutlich, daß anders als in großen Teilen der Öffentlichkeit im akademischen Bereich die Akzeptanz asiatischer Medizinsysteme nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden kann. Das wird für viele Teilnehmer aus den asiatischen Ländern, die womöglich zum ersten Male mit der auch in verschiedenen Plenarveranstaltungen hervorgehobenen Realität in den Ländern des Westens konfrontiert wurden, ein einschneidendes Erlebnis gewesen sein. Dieses Problem der Akzeptanz asiatischer Medizinsysteme außerhalb Asiens, insbesondere durch öffentliche Gesundheitssysteme, erfordert eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Materie, die gerade ein Forum wie der ICTAM fördern kann, allerdings wahrscheinlich am effektivsten, wenn er nicht in einer Umgebung stattfindet, in der asiatische Medizinsysteme ohnehin keine Akzeptanzprobleme haben.

Die 374 registrierten Teilnehmer kamen aus insgesamt 36 Ländern (Wohnort, nicht Herkunftsland). Ihre Einteilung war wie folgt:
 
Australien 3 Iran 16 Pakistan 23
Bangladesch 7 Israel 3 Philippinen 1
Belgien 1 Italien 1 Polen 2
Bosnien und Herzegowina 1 Japan 6 Russische Föderation 9
Deutschland 102 Kanada 2 Schweden 2
Frankreich 1 Litauen 2 Schweiz 2
Ghana 5 Malaysia 1 Sri Lanka 1
Griechenland 1 Mongolei 1 Thailand 1
Großbritannien 11 Nepal 3 Tschechische Republik 1
Guinea 11 Niederlande 5 Türkei 2
Indien 108 Nigeria 9 Vereinigte Staaten von Amerika 12
Indonesien 1 Österreich 5 Volksrepublik China 12

Mit der praktischen Durchführung der Kongreßorganisation wurde die Firma konzept+form aus Halle beauftragt. Sie hat gute Arbeit geleistet, was nicht zuletzt auch die nachträglich erhaltenen Stellungnahmen bestätigen.

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